„Hei Femina,“ ruft ihr die Kleine auch schon zu. „Weisst Du wo wir waren?“ Sie ist ganz und gar begeistert. „Im Tiermuseum waren wir! Das war wirklich ganz toll, nicht wahr, Mama?“
Diese nickt bestaetigend, aber mit wenig Begeisterung. „Die haben sich tatsaechlich was einfallen lassen! Die Tiere sehen echt aus und sind in ihrem entsprechenden Lebensraum plaziert. Gute Nachbildungen, liebevoll gestaltete Kulissen, ueber Kopfhoerer gibt’s den Originalton. Ausserdem haben sie Videoshows und einen kleinen echten Zoo haben sie auch, wo gestreichelt werden darf. Mich wundert’s allerdings, dass sie keine Hologramme haben.“
Femina zuckt die Schultern. „Das fragst du dich? Ich sag’s ja, - hier lebt man auf dem ........“
„Schon gut,“ unterbricht Tina. Sie ist tatsaechlich nicht in bester Laune, trotzdem sie es zu verbergen sucht.
„Was hat dir denn am besten gefallen?“ fragt Femina die Kleine, waehrend sie Robbi den Auftrag gibt, Tee zu bringen. Sie setzt sich den beiden gegenueber auf die Couch und wartet auf Antwort.
Die Kleine schmiegt sich an ihre Mutter. In ihrem Gesicht spiegeln sich die unterschiedlichsten Empfindungen. Schliesslich sagt sie: „Die Kaenguruhs im Streichelzoo! Da waren einige mit Jungen in ihren Bauchtaschen. Und huepfen koennen die! Hopp, hopp! Ich moechte das auch koennen. Sie haben mir aus der Hand gefressen und wenn ich aufhoerte, haben sie mich gestupst“ Sie spricht nicht weiter, scheint mit ihren Gedanken in der Erinnerung stecken zu bleiben.
Stattdessen faehrt Tina fort: „Wir werden auch weiterziehen. Sie soll mehr kennenlernen als Museen. Sie soll Lebendiges sehen und das Leben begreifen! Das heisst also, dass wir weiterreisen muessen!“
Femina nickt. ‚Absolut! Die Kleine soll eine all umfassende Ausbildung erhalten. Theorie und Praxis sind eine besonders fruchtbare Kombination.‘
„Uebrigens,“ wirft die Kleine ein, „ich habe fuer heute das Abendessen programmiert. Ich hoffe, dass du mir nicht boese bist!“
Femina meint, das haenge wohl davon ab, ob sie dabei nicht vergessen worden sei. Die Kleine lacht etwas verlegen, zoegert ein wenig mit der Antwort, aber meint abschliessend: „Mmh ja doch! Es wird Euch schon schmecken.“
„Ah,“ erwidert Femina, „davon bin ich ueberzeugt!“ Sie denkt allerdings dabei an ihre erfolgreiche Abstinenz von Kuchen und Schokolade und anderen derartigen Verlockungen. Einmal ‚umfallen‘ genuegt, - daraus ist noch immer eine Orgie geworden. Sie ist eine ‚Quartalschokoladenabhaengige‘. Zeitweise koennte sie davon leben. Sie hat derzeit kein Verlangen danach. Doch sie weiss, damit ist es vorbei, sobald das erste Stueckchen Schokolade auf ihrer Zunge zergeht. Besonders in diesen Landen ist Abstinenz schwierig. Hier uebertreffen sich die Zuckerbaecker und Kochkuenstler gegenseitig, und das Angebot ist riesig gross. Obendrein gibt es keinen Ersatz, der troestlich waere. Femina denkt dabei an die wundervollen tropischen Fruechte, oder Obst von hier. Zwar kann man hiesiges und auslaendisches kaufen, aber essen mag sie keines. Die Fruechte schmecken als haetten sie nie die Sonne gesehen. Dafuer sind sie durch verschiedene Laborsuppen geschwommen, - nein als Ersatz taugen sie nicht. Femina glaubt nicht einmal, dass sie als Vitaminspender was taugen. Sie isst hier zu diesem Zweck vorwiegend Tabletten. Da weiss sie wenigstens was drin ist. Vielleicht! Auf jeden Fall ist’s Chemie, ohne oebstliche Verkleidung.
Robbi’s verzerrte, monotone Quaekstimme holt sie aus ihren abschweifenden Gedanken. Weil ihm niemand antwortet, sammelt er das leere Geschirr ein und tuckelt damit ab in die Kueche. Die Kleine saust ihm nach und kommt mit einer Flasche ‚Lifespender‘ zurueck. Kinder sind ganz versessen auf dieses Zeug und weil sich’s gut mit Alkohol mischen laesst, lieben es auch die Erwachsenen.
„Du hast vollkommen recht,“ wendet sich Femina an ihre Freundin, „auch ihr solltet bald weggehen! Uebrigens, ich bin gestern wirklich voll gewesen. Ich vertrag den Alkohol nicht. Aber es war schon laengst wieder einmal faellig daran erinnert zu werden.“ Tina nickt nur dazu.
„Ich wuenschte, ihr koenntet laenger bleiben! Dann wuerdest du auch meinen Freund kennenlernen,“ faehrt sie fort
„Ich wuerde ihn auch gerne kennenlernen!“ bemerkt die Kleine trocken, weil Femina sie nicht mit einbezogen hat.
„Entschuldige“, sagt sie daher, „ich dachte nicht, dass dich das interessieren wuerde.“
„Und ob,“ beteuert die Kleine, „ ich habe auch einen boy-friend. Er geht in diesselbe Schule wie ich und er gibt mir jeden Tag einen Kaugummi, damit ich keine Zahnspange krieg, so wie er. Kauen sei gesund, sagt er.“
„Sehr aufmerksam von ihm,“ bestaetigt Femina, klaert sie jedoch auf, warum das Kauen so gesund sei und dass das nicht unbedingt mit dem Genuss von Kaugummi zu verbinden sei. Tina hat ihr das natuerlich auch schon erzaehlt. „Ja, ja, ich weiss,“ sagt sie daher recht uninteressiert.
Tina hat sich nicht geaeussert. Sie starrt Femina an, mit Lippen verkniffen aufeinandergepresst. Sie scheint nicht begeistert ueber die Aussicht Femina’s Freund kennen zu lernen. „Ist er denn so aussergewoehnlich?“ fragt sie schliesslich. „Maenner sind doch einer wie der andere! Solange sie dich nicht haben, laufen sie dir nach wie verliebte Kater. Haben sie dich, dann bist du nur noch eine Trophaehe. Oder sollte dein Goldstueck da anders sein?! Oder wuerdest du nur gerne mein Urteil hoeren, weil du dir selber nicht sicher bist?“ Sie schuettelt missbilligend den Kopf: „Du bist unverbesserlich!“
Femina ist einen Moment lang verbluefft und reagiert dann saeuerlich: „Erstens finde ich, dass er wirklich die Ausnahme ist und zweitens, was nennst du an mir unverbesserlich? Du hast die Maenner aufgegeben, na und ich das Kinderkriegen. Was oder wer ist da nun unverbesserlich!?“
„Du glaubst doch noch immer dran, dass es mit ihnen ein „gemeinsam“ gibt! Vergiss es!!!!“
Femina laechelt sueffisant: „Es gibt das ‚gemeinsam‘ mit ihnen durchaus, meine Liebste!“
Doch Tina laesst sich nicht ablenken. „Gemeinsamkeiten, vielleicht, mehr schon nicht!“ erwidert sie.
Femina ueberlegt und nickt dann langsam. Stimmt, ihre Freundin hat natuerlich recht. Das war schliesslich mit ein Grund, dem Kinderkriegen aufzukuendigen. Zu diesem Zweck braucht man das Miteinander ohnehin nicht. Es gibt Samenbaenke und tiefgefrorene Embryos, und noch viel mehr Waisenkinder. Trotzdem........, sie kann das andere Geschlecht nicht so ablehnen wie Tina das tut.
„Also was erwartest du dir von mir?“ fragt sie daher ihre Freundin. „Soll ich ploetzlich Frauen lieben, nur weil du den Maennern nicht vergibst, dass sie existieren?“
„Unfaehig sind sie, immer noch, was Liebe betrifft. Viele bevorzugen ohnehin Maenner, ‚weil die viel weniger kompliziert sind wie Frauen‘,so hat mir ein Klient erklaert. Schlimmer noch, oder hast du vergessen, welches Leid den Frauen angetan wird, weltweit? Und was ist mit unseren Sozieternas? Sie moegen zwar besser sein als alles andere, aber wenn die Beziehung beendet ist, wer zieht denn letzten Endes die Kinder gross? Wir, wir!!“ Sie wird immer wuetender. „Pfaue sind sie,“ zischt sie boese. Sie vergass offenbar, dass es vorwiegend die Muetter sind, die ihre Kinder nicht aufgeben, wenn eine Verbindung endet, vorallem wenn es sich um Non-Sozieternas handelt.
„Und was hast du gegen Pfaue? Sind doch schoene Tierchen!“
„Das finde ich auch,“ mischt sich die Kleine ins Gespraech
„Na dann sind sie halt Blutegel!“ korrigiert Tina stoerrisch
„Igitt!“ lacht die Kleine naseruempfend. „Aber Charlie ist kein Blutegel.“ Das muss wohl ihr Kaugummilieferant sein.
„Der ist im verliebten Katerstadium,“ erwidert Muetterchen aufklaerend
Femina und die Kleine sehen sich vielsagend an, zucken mit den Schultern und geben auf. Argumentieren bringt da nichts. Die Freundin sitzt in einer emotionalen Falle. Sich daraus zu befreien, bedarf der Ehrlichkeit und nicht der Wut. Auch wenn ihre Argumente durchaus der Wahrheit entsprechen, ist das nichts Neues und sie sieht keinen offensichtlicher Grund, der Tina’s Verhalten erklaeren koennte.
Das Abendessen ist fertig. Vielleicht bringt das ein Glaetten der Wogen. Die Kleine stuermt begeistert voran und in Femina‘s Gedaermen sitzt lauernd der Appetit. Na ja, er entwickelt sich zu einem gefraessigen Ungeheuer. Er verschlingt Pizza, Topfenpalatschinken, Fruchtsalat mit Eiscreme und zum Schluss noch einen Kaffee mit Schlag. Weil der Bauch dabei ein kleiner Stein wird, braucht er zum Aufweichen frischen, eisgekuehlten Orangensaft. Eisgekuehlt ist er, aber frisch? Das ist bereits fraglich. Zumindest die Farbe stimmt, na und das Aroma ist ziemlich orangenhaft, er schmeckt garnicht so schlecht.
Tina blieb selbst waehrend des Essens wortkarg. Sie haben sie in Ruhe gelassen. Femina fragt sich allerdings was ihrer Freundin so sehr die Laune verdorben hat. Es muss was mit dem anderen Geschlecht zu tun haben! Kann es sein, sie hat Schwierigkeiten einzugestehen, dass mit dem Aufgeben der Maenner noch nicht die Traeume oder die Zukunft erledigt sind? Sie selbst hat es da wohl leichter, - sie erwartet sich nichts vom anderen Geschlecht, weder eine Zukunft miteinander, noch eine Zukunft schlechthin. Fuer sie bedeuted Zukunft ohnehin nur Moeglichkeit, so oder so. Ein Muss ist sie nicht. Trotzdem, auch ihre eigenen Traeume sind nicht begraben. Wenn die Realitaet allerdings fuer ein grausames Erwachen sorgt, kann man schon zornig werden. Sie erinnert sich sehr wohl an den gestrigen Abend, wo sie selber sich kaum beruhigen konnte.