Sie sind Angehörige einer Minderheit, einer Volksgruppe, die sich gravierend von anderen Völkern und ethnischen Gruppen unterscheidet, nicht nur weil sie zahlenmässig klein sind, sondern vor allem, weil sie staatenlos sind. Sie haben weder eine externe Staatszugehörigkeit, noch eine interne Staatsstruktur. Sie haben weder eine Regierung, noch einen offiziellen Representanten, dem Kompetenzen zustehen. Jeder von ihnen representiert sein Volk und jeder kümmert sich um die Obliegenheiten, die entstehen oder vorliegen. Sie haben keine eigene Gerichtsbarkeit und keine Staatsgewalt. Sie haben Religionsfreiheit, und keine Priesterschaft. Die wenigsten gehören einer Religionsgemeinschaft an. Es ist diesselbe prinzipielle Einstellung, wie sie es mit dem Staatsangelegenheiten halten. Jeder kuemmert sich um seine eigenen spirituellen Bedürfnisse und Angelegenheiten. Es genügt zu sagen, dass sie weder gottlos noch agnostik, noch Existentialisten oder Materialisten sind. Doch ihre philosophischen oder theosophischen Grundlagen sollten ein andermal diskutiert werden.
Traditionellerweise sind sie Nomaden und nennen ganz allgemein, nichts ihr Eigentum. Sie benützen die Dinge nur. Mann und Frau sind gleichberechtigt, beide sind emanzipiert. Ihre sozialen Bindungen sind stark, als Volksgruppe im allgemeinen, aber auch untereinander, wobei tiefe Beziehungen und partnerschaftliche Arrangements zwischen den Geschlechtern und innerhalb eines Geschlechtes akzeptiert sind. So gibt es Pärchen, Kommunen, gemeinschaftliche Haushalte, oder getrennte. Auch räumliche Distanzen lassen keinen Schluss auf die Intensität einer Beziehung zu. Wenn erforderlich, trennt man sich eben für eine Weile, da sie nicht der Ansicht sind, dass tiefe Gefühle füreinander von heute auf morgen verschwinden können, falls überhaupt.
Die Völkergruppe lebt weit verstreut, aber jeder von ihnen hat den Wunsch nach Zusammengehörigkeit und Verbundenheit. Daher haben sie eine gemeinsame Sprache, auch wenn sie vielsprachig sind. Sie bedienen sich vorwiegend mündlicher Überlieferung, da ihr flexibler Lebenskodex internalisiert ist, aber sie verfügen über gemeinsame Bildungsprogramme, betreiben Medienpolitik und fördern Wisssenschaft und Kunst, der ihre besondere Liebe gilt, sowohl konsumierend als auch praktizierend. Sie besitzen eine der grössten Gedächtniss-Computer-Anlagen, die es derzeit gibt und deren sich jeder von ihnen bedienen kann. Füttern tut sie schliesslich auch jeder.
Es gibt eine Stadt, Solarsol, oder das sogenannte Camp. Dort treffen sie sich, wenn sie ihresgleichen finden wollen. Es wird ausschliesslich von ihnen bewohnt, nicht weil sie keine Fremden wollen, sondern weil Fremde nie, oder nur extrem selten hinkommen. Irgendwann besucht jeder von ihnen diese Stadt. Femina war ebenfalls schon dort gewesen. Sie erinnert sich zu gerne an diese Zeit, - schöne Erinnerungen, bleibende Erinnerungen, aber auf all das jetzt einzugehen, würde zu weit führen, das soll eine andere Geschichte bleiben. Eines steht jedenfalls fest, - ein Sozieterna zu sein, ist ein Privileg, das niemand von ihnen freiwillig aufgäbe. Das Camp ist zwar ihr Zentrum, ihr Treffpunkt, aber da sie vorwiegend Nomaden oder wie man es heute sieht, Kosmopoliten sind, begegnet man ihnen, beziehungsweise begegnen sie sich überall, dort mehr, da weniger, in kleinen Gruppen oder vereinzelt, aber eben überall. Das nützen sie dann immer, um Feste zu feiern. Sie sind nämlich ein sinnliches Volk, dem Leben herzlich zugeneigt. Es werden Erfahrungen ausgetauscht, Tips weitergegeben, aber vorallem geniessen sie die Geselligkeit und ihre Feste sind berühmt, auch bei Artfremden. Sie sind daher gerne gesehen. Sie als Gäste zu haben, ist nämlich immer interessant. Allerdings, gerade deshalb und vorallem bei Fremden, haben sie den Ruf, leichtsinnig oder gar amoralisch zu sein.
Es kann allerdings geschehen, dass man sich lange Zeiten nicht trifft, dass das Untereinander oder Miteinander nicht möglich ist. Daher mischen sich Sozieternas sehr wohl mit anderen Völkern. Tina’s Kind ist der Sprössling einer solchen Beziehung. Was hat sie ihre Freundin damals gewarnt: Lass die Finger von ihm! Ihr seid doch total verschieden! Das kann nur Probleme bringen! Nun ja, leider hat sie recht behalten, wie sie befürchtet hatte. Andererseits, es gibt ganz allgemein Probleme zwischen ihnen und anderen Volksgruppen, allein durch die Tatsache ihrer Verschiedenheit – keiner kommt drum herum, und alle Menschen sind verschieden. Sie hatte kein Recht, Tina dreinzureden.
Das beleuchtet eine andere bezeichnende Charaktereigenschaft der Sozieternas. Sie sind uneingeschränkt tolerant. Sie sind friedliebend und kennen den Krieg nur, weil andere ihn führen. Das heisst aber nicht, dass ihre prinzipielle Gewaltlosigkeit anderen gegenüber sie zu kampfunfähigen, kraftlosen und schon äusserlich sichtbar schwachbrüstigen Menschen gemacht hat. Man könnte das wohl annehmen, weil der Wille zum Siegen doch auch viel mit körperlicher Ertüchtigung, Schulung und Kampftraining zu tun hat. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Sozieternas sind ein aussergewöhnlich starker Menschenschlag, mit gesunden Körpern und vitalem Geist. Medizinische Vorsorge ist obligat, das therapeutische Wissen eines der besten überhaupt, ihre Gesundheitsmassnahmen sind vorbildlich und das nicht nur weil sie den Anweisungen der Spezialisten Gehör schenken. Jeder einzelne weiss grossartig Bescheid und gibt auf körperliche sowie geistige Gesundheit acht. Das macht sie attraktiv. Unter ihnen befinden sich aussergewöhnliche Schönheiten und wirklich Vollendete. Sie sind jedoch keineswegs auf äusserliche Schönheit fixiert, aber haben einen ausgeprägten Schönheitssinn. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass sie die Geschichte schon so lange überlebt haben, - sie sind kultiviert, feinsinnig, gebildet. Dekandenz und Eigenzüchtung bleibt ihnen erspart, dafür leben sie zu gesund und mischen sich oft genug mit anderen. Die Kinder bleiben normalerweise immer in Sozierterna‘s Obhut, solange jedenfalls, bis diese ihre eigenen Entscheidungen treffen können.
Sozieternas haben mit der Zeit ihrer langen Existenz spezielle Fähigkeiten entwickelt, die zum Teil, wie es mit Kultivierung so vor sich geht, ihr Erbgut geworden sind, die aber andererseits kontinuierlich gelehrt, gepflegt und praktiziert werden müssen. Ohne ihre Anwendung im täglichen Leben, würden diese Fähigkeiten wohl als Anlagen bestehen bleiben, was sie ursprünglich ohnehin waren, aber ihre Bedeutung verlieren, so wie der Muskel seine Kraft verliert, wenn er nicht gebraucht wird. Diese Fähigkeiten werden von anderen Menschen einerseits bewundert, andererseits abgelehnt, je nachdem. Es kann schlimmstenfalls zu ihrer Verfolgung oder gar Vernichtung führen. Sozieternas sind nämlich empfindsame Seismographen. Sie verstehen Körpersprache, können Menschen lesen. Das sind Fähigkeiten, die nicht nur Staunen oder Missgunst hervorrufen, sondern auch Angst. Sie sind bedrohlich für solche, die etwas zu verbergen haben, und sei das auch nur der eigenene miese Charakter. Untereinander ist sich die Sozieterna einig, dass diese Fähigkeiten ihrem Selbstschutz dienen und durchaus ausreichend sind. Das stimmt allerdings nur bedingt, denn es ist tatsächlich nicht mehr als hilfreiche Warnung, die nicht unbedingt einen Angriff verhindern kann.
Sozieternas haben ausserdem ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Sie halten sich zwar nicht für elitäre Weltenbürger, aber das tun andere für sie. Es kann jedoch zu Missgunst, Neid und Eifersucht führen. Es kann schlichtweg lebensbedrohliche Formen annehmen, vorallem wenn diverse Glaubens- oder Staatsordnungen sich in Frage gestellt sehen. Sozieternas halten sich für normale, durchchnittliche Lebewesen des Kosmos, aber auf Grund ihrer Anlagen, Entwicklung und Erziehung sind sie dem Allgemeinen Ziel näher, als es sonst jemand sein könnte, und nachdem sich alle sehnen, Sozieterna oder nicht. Das findet sich in ihrem eigenen Zeitbegriff und ihrer Zeitrechnung: Sie sind im Jahre 0. Und im Jahre 0 ist das Allgemeine Ziel die Erkenntnis. Im Jahr 2000 oder was auch immer, wissen sie es nicht genau. Dort hat sich der Schwachsinn noch immer nicht weiterentwickelt. Das Ergebnis ist bekannt: Die Menschen fliegen zum Mond, erleben die kosmische Weite, nur zu sich selbst finden sie nicht. Dabei sind Selbstbewusstsein ( im Sinne von sich seiner selbst bewusst sein ), und Seinsbewusstsein ( im Sinne sich seines Seins bewusst sein ), ident. Das 3. Jahrtausend mag vielleicht besser werden. Es klingt jedenfalls vielversprechend: Raum - Zeit – Alter. Ob da was draus wird? Darauf lässt es sich nicht einmal wetten. Die Zeit mag dafür viel zu kurz sein.
Aus all diesen Gründen haben Sozieternas natürlich kein Identifikationsproblem. Sie können sich selbst und ihre Artgenossen immer erkennen. Für Artfremde brauchen sie dazu bloss einen Sinn, schon garnicht fünf. Die Schwachsinnigen, von ihnen so genannt, weil sie schwache Sinne haben, wissen umgekehrt Sozieternas nicht geradewegs zu orten. Dem Himmel sei Dank! Es erleichtert ihnen einiges. Konfrontationen mit Andersdenkenden sind nun mal problematisch und wie gesagt, unter Umständen gefährlich. Wenn nicht unbedingt nötig, halten sich Sozieternas aus Konflikten raus. Sie propagieren keine ihrer Ansichten oder Überlieferungen und sie kümmern sich wenig um das Urteil anderer. Ausserdem wissen sie, dass Bewunderung nicht besser als Verfolgung und Intelligenz kein guter Ersatz für schwache Sinne ist. Auch dass sie Nomaden sind, hat seine Gründe und seinen Sinn. Sie können nämlich fortgehen, während andere stagnieren. Sie haben keine Angst, etwas zu verlieren. Sie besitzen ja nicht viel. Dinge zu benützen und nützen, das ist ihnen genug. Ihr Augenmerk richtet sich darauf, das Leben zu geniessen, nicht, es zu zerstören.
Dass sie gerne Feste feiern wurde bereits erwähnt. Eine Eigenschaft sei diesbezüglich besonders hervorgehoben, weil es ihren Sinn für Farbenpracht und Dekoration demonstriert. Sie schmücken sich gerne, sie lieben es bunt, wobei besonders die Schmetterlinge es ihnen angetan haben. Parties in den Tropen werden zu einer Augenweide, denn die bunten Falter sind dort ja bekanntlich besonderns zahlreich und prächtig. So manch einmaliges Exemplar ziert da das Haar und dort eine Schulter. Den Ausgang eines solchen Festes bildet meist das sogenannnte Schmetterlingssteigen. Dabei lassen sie die Tierchen auf ein Kommando fliegen. Manchmal wird daraus eine Flatterorgie. Manchmal dauert das länger bis die Tiere ihre Freiheit wahrnehmen. Es scheint ihnen zu gefallen, ein Schmuckstück zu sein.
Über Sozieterna liesse sich noch vieles sagen, doch die wesentlichen Merkmale sind damit wohl beschrieben worden. Jedem Leser ist somit klar, um welche Art von Gesellschaft es sich da handelt, oder? Der Bogen mag vom Hippie bis zum Zigeuner bis zum Anarchisten reichen. Das sei dem Leser überlassen, wie er interpretieren will. Wobei zu sagen ist, dass diese Beschreibung, nur die Oberfläche berührt hat. Einige sehr wesentliche und fundamentale Prinzipien sind unangetasted geblieben, aus dem einfachen Grund, sich nicht in philosophischen Konzepten zu verlieren, die besser später oder anderswo zur Sprache gebracht werden können.