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DNS II, Kapitel 5, Teil 3

Veröffentlicht von am in Buch Kapiteln

 

Freilich, das aendert nichts an der Tatsache, dass sie sich jetzt, alleine in diesem Zimmer, um ihre Existenz Gedanken macht. Auch wenn es troestlich ist, zu wissen, dass es Gleichgesinnte gibt, dass man Verstaendnis findet und dass man Freunde hat, ja dass man auch Liebe und Fuersorge von seinen Nahestehenden erwarten kann und diese sicherlich jede Holzbank in Kauf nehmen wuerden, wuessten oder glaubten sie, dass man sie braucht, Femina ist froh, dass niemand neben ihr sitzt und ihre Hand haelt. 

Sterben muss man alleine, in jedem Fall. Sie wuerde es nicht einmal ertragen, ihre Liebsten traurig zu sehen. Vorallem Pia mag sie nicht weinen sehen. Und Dimitri? Er wuerde sicherlich auch traurig sein, aber sie hatten sich ziemlich entfremdet, sie muessten wohl einiges aussortieren. Doch danach ist ihr im Moment nicht zu Mute. Gordon? Nein! Sie mag ihn nicht in ihre dunkle Welt mit hinein ziehen. Sie kann sich nicht einmal dazu ueberwinden, jene, die sie liebt, mit ihrem Leiden zu konfrontieren oder gar ihre Gedanken zur Diskussion zu stellen. Zuviel Kummer fuer beide Seiten! Emotionen wuerden Amok laufen und jeder in Traenen enden. Es genuegt, ihren Abschied so wenig wie moeglich zu dramatisieren. Schliesslich ist es wichtiger, mit seinen Lieben schoene Zeiten zu verbringen. Fuer‘s Weinen hat man, wie man so schoen sagt, die Trauerzeit.

„Es ist ganz einfach, nicht wahr,“ hoert sich Femina sagen, „sobald man es wagt das Absolute in Frage zu stellen. Selbst wenn man dabei mit sich selber in Streit kommt. Man ist schliesslich so fest verankert in seinen Traditionen, seinen Normen, gesellschaftlich und persoenlich und auch in dem, was man intellektuelle Erziehung nennt. Es kommt unweigerlich zu Konfrontationen. Ich bin allerdings ein Anhaenger der Wissenschaft, bin also mehr fuer Fakten als Glauben. Aber ist es nicht bezeichnend, dass es auch hier die Dogmatiker gibt und dass Theorien und Hypothesen grad so gut eine Glaubensbasis haben, von der aus operiert wird, oder dass die moderne Physik tatsaechlich mehr Gemeinsamkeiten mit der   Philosophie hat, als es dem Wissenschaftler lieb ist?“

Femina entschliesst sich, dem Filmgeschehen ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen. Es hat sich schliesslich bereits erwiesen, dass dieser ‚alte Film‘ wesentlich wichtiger ist als sie urspruenglich und voreilig angenommen hatte. Sie erinnert sich ganz gewiss nicht mehr an die vielen Diskussionen, die sie mit Phil hatte, wohl aber, dass es deren viele gab. Nicht einmal jene, am Tag ihrer ersten Begegnung war ihr in Erinnerung geblieben. Eines war auf jeden Fall unvergessen, naemlich, dass sie Phil von Anfang an ungemein attraktiv fand. Sein Intellekt war fuer sie naemlich grad so unwiderstehlich gewesen, wie es das Licht fuer den Nachtfalter ist.

„Aber wie erklaerst du die vielen offenen Fragen? Wie kann alles aus dem Nichts kommen?“

„Nun,“ sagt er, „es ist vielleicht am besten, ich nehme ein Beispiel aus der Kosmologie um das Konzept zu demonstrieren. Du hast doch bestimmt von einem Phaenomen gehoert, das man das „Schwarze Loch“ nennt. Ich bin durchaus kein Kosmologe, aber das macht nichts. Ich weiss genug, und es hilft mir wenn ich einfache Vergleiche ziehe. Es macht alles weniger kompliziert. Wie der Name es urspruenglich in bezeichnender Weise beschrieb, das Schwarze Loch war schwarz und ein Loch, sinnbildlich gesprochen, ohne Licht und ohne Inhalt. Was es aber wirklich war, ist weit davon entfernt, denn es ist nur deshalb schwarz, weil aus ihm kein Licht entkommen kann und es ist kein Loch, sondern es hat Materie, wenn auch so klein und so komprimiert, aber so voll von Energie, wie das keiner der sichtbaren Himmelskoerper es hat. Das Schwarze Loch ist also kein Loch und nicht nichts, sondern ist ein Bestandteil des Kosmos, war es all die Jahre, auch wenn man es nicht sehen konnte. Und so ist das mit dem unendlich kleinen Punkt vor dem Urknall, mit dem die Schoepfung begann. Er ist praktisch ein Nichts und doch war alles darin enthalten, was sich jetzt als unser Universum in all seiner Vielfalt und mit all seinen Lebensformen darstellt. Der Einfachheit wegen und weil wir sicher spaeter darauf wieder zurueckkommen, ziehe ich es vor, dieses Nichts als Potenz zu bezeichnen. Also das Schwarze Loch hat und ist Potenz. Aber erst recht hat und ist der Punkt Potenz in dem der ‚Urknall‘ stattfand . Ausserdem! Wenn es das Sein gibt,  m u s s  es auch das ‚Nicht Sein‘ geben, sowie wir eben die sichtbaren Planeten und Sterne haben und Schwarze Loecher. Man muss naemlich immer einen Vergleich haben, sprachlich wie bildlich. Ohne dessen koennte schliesslich keiner verstehen was man meint. Niemand wuerde wissen, was Nacht ist, haette man nicht den Tag, nicht wahr? Alles hat also ein Gegenteil. Selbst die Elementarteilchen unseres Kosmos haben ihre Antiteilchen. So nimmt man auch an, dass es die sogenannte „Schwarze Materie“ gibt, was aber bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden konnte. Das ist aber sicher nur eine Frage der Zeit, grad so gut wie es mit dem „Schwarzen Loch“ war. Offensichtlich haben wir es immer mit 2 Dingen zu tun: Wo Licht ist ist auch Schatten. Wir haben es also praktisch mit einem dualistischen Weltbild zu tun, speziell, was Schoepfung und erst recht was das Leben selber betrifft. Adam und Eva sind folglich ein Symbol dessen, es demonstriert sich als Zweigeschlechtlichkeit. Wir haben also das Sein einerseits und andererseits das Nichts, was sich, sprachlich abstrahiert, als ein Zweigebilde oder als eine Einheit mit zwei Seiten, ausdruecken laesst. Das eine kann nicht ohne dem anderen sein. Die Frage von Sein oder Nichtsein ist theoretisch, praktisch gibt es nur das Sein  u n d  Nichtsein, oder einfacher ausgedrueckt, „Sein und Nichts“. 

„Aber damit sagst du doch, dass alles Sein ist, denn das Nichts ist schliesslich nicht nichts! Das kann ich nicht akzeptieren. Nichts ist nichts!“ Sie ist irritiert. 

Phil laechelt nachsichtig. „Nun, s’ist also doch nicht so einfach, das Absolute zu entthronen!“ Er zwinkert ihr zu, faehrt aber gleich wieder fort: „Ich habe bereits gesagt, dass das ‚Nichts‘ Potenz ist. Es ist zwar nicht nichts, ist jedoch eine voellig andere Art von Sein. Zum Beispiel kann man am Beginn des Urknall oder im Schwarzen Loch keinerlei bekannte Massstaebe, Regeln oder physikalische Gesetze zur Anwendung bringen. Es ist Potenz ohne jene Grenzen. Potenz die wir vom Sein kennen hat Grenzen, denn sie hat Mass, alles im Sein ist messbar. Unser Sein kommt aus dieser unmessbaren Potenz, dem „Nichts“ und unser Sein endet im „Nichts“, grad so wie ein Stern implodiert und zum Schwarzen Loch wird. Man ist sich derzeit allerdings nicht sicher, wie unser Universum enden wird, nur dass es enden wird. Es mag implodieren oder dissipieren, in jedem Fall wird es wieder zu Nichts, oder eben Potenz, das ein neues Sein in sich hat, angefuellt vom Alten, schwanger mit Neuem.  E  S   ist ein Kreislauf, ein Perpetuum Mobile, ein Werden und Sterben, ein Kommen und Gehen, mit allen Formen, all seiner erstaunlichen Einzigartigkeit, unter staendiger Aenderung oder modifizierter Wiederholung. Das Sein ist in seiner Endlichkeit der Erhalter des Nichts und das Nichts ist in seiner ungeheuren Potenz, Schoepfer des Seins. Nicht Gott dreht dieses Rad, sondern die Goettlichkeit liegt im Prinzip. Du, ich, das Universum, alles Sein und das Nichts sind Bestandteil dieses Prinzips. Jeder Stein, jede Zelle ist Goettlichkeit, ist Gott, oder der Ausdruck des Goettlichen, um genau zu sein. Wie heisst es so schoen: Wir sind Kinder Gottes? Der Mensch wurde aus Erde, laut Bibel Lehm, geschaffen. Tatsaechlich ist Materie und speziell die Erde der Brutkasten allen Lebens. Es folgt dem prinzipiellen Aspekt des Seins.“

„Aber wo ist der Anfang?“ fragt sie, obwohl sie ihm generell zustimmt, sie will seine Meinung hoeren. Sie kann sich nicht vorstellen, dass sie in allem einer Meinung sind, und in manchem ist sie sich selber nicht klar. Tatsaechlich! Er hat ihr ganz gewiss geholfen, das Nichts besser zu verstehen. Doch was haelt er vom  Beginn oder Ende? 

„Es gibt keinen Anfang, es gibt kein Ende. Das ist es, was wir uns unter Ewigkeit vorstellen muessen.  E S  ist ewig!  W I R sind ewig. Nur der Zustand aendert sich.“

"Nun, du aenderst nur die Definition von Gott", wirft sie ein, unbefriedigt.

Er laechelt amusiert. "Allerdings. Mir geht es ja nicht darum, Gott zu entmachten. Ich entmachte hoechstens die Hueter der herkoemmlichen Tradition. Ich sehe mich ja nicht als Atheist, nur andere sehen mich so."

„Ja, damit bin ich sehr einverstanden,“ sagt sie versoehnt, „ Das macht Sinn und ich muss dir recht geben. Tatsaechlich deutet alles darauf hin. Allerdings mit dem Wir habe ich Schwierigkeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich als Person ewig bin. So geht es wohl vielen Menschen. Ausserdem faellt es mir schwer den Menschen als etwas Goettliches zu sehen, so wie er ist, oder besser, so wie er sich auffuehrt. Freilich, das ist wahrscheinlich der Grund. Er kann seine Goettlichkeit nicht wahrhaben, oder annehmen. Es klingt nach Ueberheblichkeit, einerseits,  und andererseits, wo bleibt die Macht, die man damit verbindet. Gott, so wie man ihn allgemein versteht, ist schliesslich allmaechtig, nicht wahr? Davon kann der Mensch aber  nur traeumen, obwohl er natuerlich mit allen Mitteln versucht, sich jedwede Macht anzueignen. Er ist aber tatsaechlich so machtlos, wie die Ameise, die er auf seinem Spaziergang zertritt. Er imitiert Gott, weil er Gott als separierte Groesse sieht, extern von ihm selber. Und er sucht Gott, kann ihn aber nicht finden, denn es gibt diese personifizierte Gottheit nicht, die ihn, so wird ihm gelehrt, zwar erschaffen, aber sonst sich selbst ueberlassen hat. Er sucht daher an den falschen Orten und wuerde nie in sich selbst auf Suche gehen. Es ist aber nur eine Dimension des Verstandes, die ihm derzeit fehlt, und es ist nicht unbedingt seine Schuld. Eine weitere Evolution des Geistes ist also notwendig geworden. Wie alles, er ist ein Werk fortlaufender Evolution Bleibt allerdings nur zu hoffen, dass er sich nicht vorher selber ausrottet. Intelligenz ist schliesslich nur ein Aspekt des geistigen Potentials. Er kann, ja er muss zu dieser Entwicklung beitragen, will er weiter bestehen. Diese fehlende Dimension ist es aber, die die Menschen zu Glaeubigen macht. Und in deren Folge werden sie zu Potentaten, Henkern und Geknechteten, abhaengig, groessenwahnsinnig und verzweifelt.“ Phil hat ihr aufmerksam zugehoert, aber bevor er sich zu etwas aeussern kann, faehrt sie auch schon wieder fort, mit einer Frage: „Dann glaubst du also an Wiedergeburt?“

Anstatt zu antworten, fragt er zurueck: „Glaubst du daran?“

„Ja und nein“, sagt sie. „Es kommt wohl darauf an, was man unter Wiedergeburt versteht. Ich fuer meinen Teil glaube an die Wiederkehr, in dem ich ins Nichts heimkehre und irgendwann ins Sein zurueckkataputiert werde, in welcher Form das auch immer sein mag. Ich glaube nicht an Wiedergeburt in meiner Spezifitaet. Vielleicht ist das der Fall, .......als Zusammentreffen aller moeglichen Umstaende, ich kann es nicht ausschliessen, aber es scheint mir leichter, eine Nadel im Heu zu finden, als mich wieder zu errichten. Abgesehen davon, es geschaehe ohnehin ohne mein derzeitiges Bewusstsein. Einerseits faende ich es grossartig, waere das der Fall, gaebe es doch soviele phantastische Moeglichkeiten, die ich vielleicht wahr nehmen koennte. Andererseits, s’ist eine scheussliche Idee, koennte ich doch in einer anderen Existenz schlimmer dran sein, als mit meiner jetzigen. Aber das sind fuer mich bloss Gedankenspiele. Wiederkehr heisst fuer mich nur Teilnahme am staendigen Werdegang, ohne formale Forderung.“ Sie kommt ins Schwaermen. „Ich koennte mir tausende von Dingen vorstellen und noch mehr, was ich sein moechte und was nicht. Theoretisch koennte ich zum Hexenjaeger, oder zum Stein werden, zum Mozart oder zur Wolke. Freilich, diese Unendlichkeit macht mir aber auch Angst. Und dann wieder nicht, ist es doch nur ein anderes Leben, so oder so, schoen oder nicht schoen, - es dauert nur eine Weile, ist an sich nicht ewig.“ 

Sie haelt kurz an, offensichtlich sich erinnernd, dass sie besser zum wesentlichen Gespraech zurueck kommt, bevor sie Phil langweilt. „Nun, wir haben zuvor vom Zufall gesprochen. Ich kann wohl annehmen, du stimmst mir zu, wenn ich sage, dass der Zufall eine enorm grosse Rolle spielt, was unsere Existenz betrifft. Vorallem wenn ich an die chaotischen Zustaende nach dem Urknall denke. In diesem Chaos gab es alle Arten von Moeglichkeiten, von Konstellationen, von Kombinationen, Auslese und Formationen. Wenn auch eingebunden in und an das grundlegende Prinzip, das sich in und durch die Gesetze der Materie manifestiert, es ist durchaus auch ein Spiel des Zufalls, mit Ergebnissen, die gewiss mehr als beeindruckend sind. Wahrscheinlich gerade deshalb, nicht wahr? Es ist die Basis oder der Prozess von Kreativitaet. Und die Kreativitaet unserer Schoepfung ist schliesslich so unfassbar, ja phantastisch, Worte reichen nicht aus, das Ausmass dieser Kreativitaet zu beschreiben. Aber nicht weil ein Solo Kuenstler am Werke war, sondern weil der Prozess als solcher goettlich ist. Also nicht alles ist Zufall, aber der Zufall spielt eine grosse Rolle. Ich sehe mich selber in gewisser weise als Produkt des Zufalls. Da waren tausende von Spermien auf dem Weg zum Ei; mein Vater hat meine Mutter befruchtet, nicht eine andere Frau. Zufaellig bin ich in diese Verbindung hineingeboren worden. Andere Rasse, andere Kultur oder  Lebensumstaende, es gaebe mich nicht. Sogar was die genetischen Anlagen betrifft, ich koennte grad so gut andere koerperliche Merkmale oder auch geistige Kapazitaet haben. Die Missgeburt gefaellt mir als zufaelliger Misserfolg ebenfalls besser, als die Vorstellung, jemand war mit Absicht grausam.“

Phil hat waehrend ihrer langen Rede amuesiert zugehoert. Hin und wieder hat er zustimmend genickt, hat aber keine Anstalten gemacht sie zu unterbrechen. Jetzt hakt er allerdings ein: „Was ist dann aber nicht Zufall? Ausserdem hast du schon recht, wie du frueher sagtest, nicht alles mag Zufall sein, was also solcher erscheint. Aber was ist dann was?“

„Nun,“ sagt sie, „ich wuerde nicht von Zufall sprechen, wenn ein Soldat an der Kriegsfront vom Feind erschossen wird. Er ist ja nicht zufaellig im Krieg. Wohl aber sehe ich es als Zufall, wen die Kugel trifft. Oder, da ist eine neue Insel aufgetaucht, weit und breit nichts wie Ozean, und doch, irgenwann schwemmt die Stroemung Samen an und wenn die Bedingungen richtig sind, gibt es da ploetzlich Gras und Palmen oder sonstiges Gewaechs, und irgendwann sogar Getier. Zufall, ja, jedoch genauso bedingt, wie der Tod des Soldaten im Krieg.“

„Genau! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Es gibt also eine Basis auf der  der Zufall sich entfalten kann, doch die Basis ist die Voraussetzung und die ist kein Zufall. Das heisst dann konsequenterweise, dass da ein Schema, ein Muster oder eine Direktive vorhanden sein muss, die diese Basis schaft, nicht wahr? Wie erklaerst du dir das?!“

Sie zuckt mit den Schultern und ihre Stimme klingt unsicher: „Ich weiss nicht...... Ich weiss es nicht! Ich kann nur vermuten und ich muss mich dabei an das halten, was mir mein Verstand mit seinem Wissen erlaubt.“

Er nickt. „Das ist ein wesentlicher Punkt. Ein Inselbewohner, der noch nie vom Urknall gehoert hat, muss logischerweise ein anderes Konzept von seinem Dasein haben als du oder ich. Bleiben wir aber im Bereich unseres Wissenstandes. Ich bin der Meinung, dass wir es mit einem „Komplexen System in Aktion“ zu tun haben, das ist die Matritze oder wie vorhin erwaehnt, das grundsaetzliche Prinzip, das an sich selbsterhaltend ist, und sich durch seine Aktionen stetig erneuert. Um ganz simpel zu sein, es ist wie die Autobatterie, die sich durch das fahrende Auto selber aufladet. Chaos wird sich immer richten und jede Ordnung wird disorganisiert. Es ist Bewegung, mit der alles beginnt, im weitesten Sinne mit Leben assoziiert, und es ist der Stillstand, mit dem alles endet, assoziierbar mit dem Tod. Nur ist weder das eine noch das andere das Ende des Prinzips, denn es besteht nicht aus Sein oder Nichtsein, sondern  E S   i s t  ‚Sein und Nichts‘, ist. Das entspricht den Lehren von ‚Gott ist‘; Er hat keine Vergangenheit und keine Zukunft, Er ist also 'Alles' und ist immer 'gegenwaertig'. Die Frage, was kommt zuerst; das Huhn oder das Ei, ist also voellig sinnlos, das eine bedingt schliesslich das andere, aber beides existiert in der Welt der Materie und Zeit, muss also sterben.“

Sie lacht. „Es ist schon erstaunlich, wie der Bibeltext mit deinen philosophischen Interprationen im Rahmen deiner Theorie harmonisiert. Begriffe wie Ewigkeit, Allgegenwaertigkeit, Unsterblichkeit oder Unendlichkeit, sie sind so verstaubt und doch so universell. Ausserdem! Es sieht fast so aus, als sei die Bibel von einer Intelligenz geschrieben worden, die viel zu frueh in der menschlichen Geschichte auftrat und der Inhalt musste daher der vorherrschenden unentwickelten Geisteskapazitaet angepasst werden. Seine Interpretationen ebenfalls, leider aber entsprechen diese auch dem intellektuellen Niveau der Tempelhueter. Hoechste Zeit also, dass die Auslegung der Texte revidiert wird. Aber das mag wohl fuer alle traditionellen Ueberlieferungen gelten. Fuer mich steht fest: Ein neuer Konsensus muss her. Es ist unvermeidbar, ja sogar zwangslaeufig. Ich fuerchte allerdings Schlimmes.......tatsaechlich das Schlimmste!“

Beide schweigen, verfolgen offensichtlich ihre eigenen Gedanken. 

Femina ist froh, denn es gibt ihr Gelegenheit, die ihren zu ordnen und nuetzlich zu machen. Auch wenn diese Diskussion wenig mit ihren Gefuehlen zu tun hat, im Moment empfindet sie jedenfalls vorwiegend eines: Dankbarkeit. Sie dankt dem Haus fuer diesen Raum, sie dankt ihrem Verstand fuer diesen Film, ein Dokument kollektiver Erinnerung, und sie ist dankbar fuer die Zeit, die ihr zur Verfuegung steht. Es gibt ihr die Gelegenheit, die essentiellen existenziellen Fragen zu klaeren, um sich letztendes entscheiden zu koennen, fuer oder gegen, leben oder sterben.

           

 

        

 

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Kommentare

  • Ingrid Hashish-Hematyar
    Ingrid Hashish-Hematyar Samstag, 27 Juni 2015

    Liebe Femina, so interessant für mich, weil ich mir all diese Fragen auch stelle und leider keine Antwort finde, die mich zufrieden stellt. Es werden nämlich immer mehr Fragen und mein Geist kann diese Dimensionen nicht erfassen. Ich werde oder fühle mich einfach nur winzig und es macht mir Angst, obwohl ich absolut kein gläubiger Mensch bin, im Gegenteil, ich bin in jeder Hinsicht ungläubig. Aber diese Größe des ganzen Kosmos, diese Ewigkeit, da stoße ich an meine Grenzen.
    Ingrid

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