Femina fragt sich, ob Adam und Eva den Verlust des Paradieses jemals so hart gefunden haben, wie sie. Die beiden hatten, im Gegensatz zu ihr, doch keine Ahnung was sie erwartete. Sie aber ist wieder dort wo sie vor dem Paradies gelebst hat, dort, wo die Realitaet dem Leben mit Gitterstaeben Grenzen setzt, anstatt mit Palmenblaettern; wo Zwiespalt und Zweifel regieren und wo Harmonie und Frieden wenig Gelegenheit zur Entfaltung haben. Sie hat ihre Freiheit nicht gefunden, trotz all dem Glueck, das sie erleben konnte. Es war nur ein anderer Raum im Haus, und sie ist nach wie vor darin gefangen.
Mit ihrer Rueckkehr begann die Suche nach einer Unterkunft. Sie hatte Glueck, denn sie fand ein Haus, schneller als erwartet. Es wird ihr und Gordon eine angenehme Bleibe sein, waehrend sie ihren Verpflichtungen nachkommt und Gordon den Hausmann spielt. Es liegt etwas ausserhalb der Stadt und ist gross genug mit zwei Etagen und einer Mansarde unter dem Dach, was ihr, separiert von allem, als Arbeiszimmer sehr willkommen ist. Eigentlich ist es mehr als das, denn, obwohl sie keine Erklaerung hat, scheint ihr die Moeglichkeit, sich zurueckziehen zu koennen, wichtig. Fairerweise, auch fuer Gordon gibt es ein Zimmer, in dem er ungestoert sein kann. Sie haben zudem genug Raeume fuer den gemeinsamen Gebrauch, und ein extra Gaestezimmer. Also da ist reichlich Platz, so dass man sich nicht auf die Zehen tritt, auch wenn es Besuch geben sollte. Da es ausserhalb der Stadt liegt, abseits von allem Geschehen, ist auch die Miete niedrig genug, selbst wenn sie allein dafuer aufkommen muesste. Ja, sie hat Bedenken. Auf der Insel hatte sie schliesslich immer noch ihre eigene Huette, und Gordon war Allister’s Gast. Doch jetzt ist eben alles anders. Wer weiss, wie sich das Zusammenleben mit ihm gestaltet. Ausserdem schaetzt sie, mehr denn je, ihre Unabhaengigkeit, nach ihrem letzten Erlebnis mit Zweisamkeit. Sie hat wohl noch andere Bedenken, aber die lassen sich leichter beiseite schieben. Was die Zukunft betrifft, sind es doch immer nur Spekulationen.
Sie vertieft sich in ihre Arbeiten, waehrend sie auf Gordon wartet und macht grosse Fortschritte. Als er schliesslich eintrifft, hat sie sich einen ziemlich guten Vorsprung geschaffen, so dass sie sich um die Einhaltung des festgelegten Termins nicht sorgen braucht.
Das Wiedersehen zerstreut Femina‘s Misstrauen. Sie fuehlen sich sofort wieder, und unmittelbar, verbunden, grad so, als haette es tatsaechlich nie eine Trennung gegeben. Und in seinen Augen spiegeln sich die Wasser des Atolls. Sie braucht nur hinein zu tauchen, und sie ist wieder dort, wo Himmel, See und der weisse Palmenstrand das Universum waren. Kein Wunder also, dass sie abermals eine grossartige Zeit miteinander verbringen. Und wie gut, dass sie in seiner Abwesenheit so produktiv gewesen war, denn ihre Arbeit ist in den Hintergrund verdraengt worden. Schifahren im Winter, - die Berge sind nicht weit, Reisen im Sommer, - in Gegenden, die ihnen beiden fremd sind, - das ist nun einmal viel interessanter, als hinter Buechern zu sitzen. Freilich, sie muss ihren Arbeit schon beenden, denn ihre Ersparnisse schwinden dahin und irgendwann soll sich ihr Studium sehr wohl auch praktisch auszahlen. Vom Interesse allein kann man schliesslich nicht leben.
Doch derzeit ist alles gut. Femina beginnt tatsaechlich zu glauben, dass ihr Glueck unabhaengig davon ist, was ihre grundlegenden Umstaende betrifft, hat sie doch weder ihr Gedaechtnis wiedererlangt, noch einen Ausgang aus dem Haus gefunden. Sie hat schon lange nicht mehr versucht, diese ungeloesten Probleme weiter zu verfolgen. Sie hat kein Beduerfnis, sie sieht keinen Grund. Wozu denn! Das unzugaengliche alte Wissen hindert sie nicht am Leben, noch daran, neues Material anzusammeln; ihr Gehirn hat offensichtlich Platz fuer beides. Und sie war schon lange nicht mehr im Gang. Wozu auch! Sie weiss, dass das Haus nach wie vor existiert, doch hat es offensichtlich und grad so gut, Platz genug, um ihr Leben darin zu verbringen. Mag sein, sie hat kapituliert, mag sein, sie ist zu gluecklich mit dem was sie hat, so dass es keinen Anlass gibt, etwas aenderes zu wollen. Doppelsinn und Zwiespalt bestehen nach wie vor, doch sei’s drum, man kann sich an alles gewoehnen. Vorallem, wenn man gluecklich ist.
So koennte man meinen, dass die Glueckswoge Femina noch immer hoch oben haelt. Oberflaechlich betrachtet ist es auch so, doch haben sich die Boten eines Unheiles still und leise an sie herangemacht. Die ersten Versuche, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, schlagen fehl. Femina macht sich keine Gedanken, sind es doch nur Kleinigkeiten, die sich immer leicht aufklaeren lassen. Dann treten schlechte Traeume auf, die sich trotz Erwachens nicht leicht, oder gar schnell, abschuetteln lassen. Das ist sehr wohl ungewoehnlich. Auch wenn sie sich nicht an den Inhalt des Traumes erinnern kann, eine dumpfe bruetende Bedrohlichkeit bleibt wie eine Decke auf ihrem Gemuet liegen unter der sich die Schwermut einzunisten versucht. Eine Zeit lang kann der Morgen mit seinem Licht die trueben Stimmungen vertreiben, so dass Femina noch immer keinen Anlass sieht, diesen Vorkommnissen auf den Grund zu gehn. Aber das war nur der Anfang. Albtraeume beginnen sie zu quaelen. Manchmal faehrt sie im Schlaf hoch, oder weint ohne aufzuwachen, so dass Gordon sie des oefteren wecken muss, um sie zu beruhigen. Meist sind es Traeume wo man sie verfolgt, und sie schafft es nicht, zu entkommen. Ihre Beine sind zu schwer, oder ein Abgrund tut sich auf und die Meute ist im Begriff sich auf sie zu stuerzen. Der Horror im Traum ist schlimm genug, aber nun sind die Aengste auch bei Tag auf ihren Fersen. Sie spuert ein Lauern in ihr, das sie nicht erklaeren kann. Noch koennte das jemand anderer. Selbst mit Gordon darueber zu reden ist sinnlos. Er meint, es seien nur schlechte Traeume, die schon wieder vergehen wuerden, so sang und klanglos, wie sie aufgetreten sind. Er nimmt sie zwar immer zaertlich in seine Arme, und er versteht es auch, sie zu troesten, aber es ist ihr klar, dass er ihre Gefuehle nicht nachvollziehen kann. Niemand koennte das. Gefuehle gehoeren einem allein; man kann sie nicht teilen, man kann sie nicht weitergeben, man kann sie weder jemandem erklaeren noch hinreichend beschreiben und sie weiss nur zu gut, auch Gordon, der sie ganz sicher liebt, kann niemals ihre Gefuehle empfinden. Sie muss wohl oder uebel allein damit fertig werden. Unter all den Ueberlegungen, auf der Suche nach Gruenden fuer ihre Angstgefuehle, kommt sie zum Schluss, dass das Vertriebenwerden aus dem Inselparadies, nur der Anfang einer Sturmwelle war, die sie nun einzuholen begonnen hat, um ihr die Rechnung fuer vergangene Freuden und andauerndem Glueck zu presentieren. War sie nicht der Meinung gewesen, dass sie in diesem Haus niemals gluecklich werden koennte? Nun da sie es ist, muss sie dafuer wohl bezahlen.
Die naechste traurige Nachricht laesst nicht lange auf sich warten. Gordon muss fort. Seine Anwesenheit bei sich zu Hause ist unbedingt erforderlich. Es trifft sie hart. Sie empfindet diese Trennung wesentlich schwerer als er, denn sie sieht eine Endgueltigkeit darin, waehrend er, auch wenn er sie ungern zuruecklaesst, nur eine befristete Trennung sieht. Er hat keinen Zweifel, dass er bald wieder zurueck sein wuerde. Sie sagt dazu nichts. Es ist ein Abschied, so oder so, und sie wird wieder ueber die gluehenden Kohlen laufen. Was danach erfolgt, ist fuer sie kaum vorstellbar. Es weckt in ihr wenig Interesse, derzeit jedenfalls.
So bleibt Femina allein zurueck. Ihre Ersparnisse sind ebenfalls beim Auslaufen. Sie nimmt daher einen Job im Gastgewerbe an, wo die Trinkgelder reichlich sind und wesentlich mehr einbringen als das Gehalt. Es erlaubt den Lebensstandard fortzufuehren, den sie will. Nicht dass sie derzeit viel braucht. Sie kniet sich naemlich wieder vehement in ihre Schreibarbeit. Der Endspurt ist hart, aber sie schafft es schneller als erwartet und mit Erfolg. Ein paar Wochen spaeter erhaelt sie den Brief mit der Bestaetigung und dem Datum fuer die offizielle Feier, die in solchen Lehranstalten ueblich ist, mit allem Pomp und Gefasel. Allerdings wird sie Pia und Dimitri dazu einladen, denn sie ist sicher, dass sie sich darueber freuen.
Sie hat freilich Anlass zum Feiern, aber aus wesentlich anderen Gruenden; und so organisiert sie eine Party, laedt Kollegen und alte Freunde ein, und spart nicht an Kosten, was die Zutaten betrifft, um dem Fest die Ehre zu geben, die es verdient. Fuer sie ist es eine Art Auferstehung, ein Fruehlingsfest, ein Wiedererwachen zum Leben, hatte sie doch in den vielen langen vergangenen Wochen ein richtiges Einsiedlerleben gefuehrt. Von einer Arbeit in die andere, den Kopf in Buechern und die einzigen Leute mit denen sie Worte austauschte, waren die Gaeste des Hotels gewesen, die sie bediente. Sie freut sich auch, dass sie nun wesentlich interessantere Einnahmequellen erschliessen kann.
Die Party ist in vollem Schwung. Es ist reiner Zufall, dass sie sich neben dem Telefon befindet, als es laeutet. Gordon ist an der Strippe, der natuerlich all die Musik und Stimmen hoert, trotzdem sich das Telefon nicht gerade in den Raeumen mit dem groessten Getriebe befindet. Sie klaert ihn auf. Er freut sich und gratuliert ihr. Ausserdem glaubt er, in absehbarer Zeit wieder bei ihr sein zu koennen. Sie will im Moment nicht wirklich darauf eingehen, denn mit Abschluss ihrer Studien, besteht keine Notwendigkeit, dass er zu ihr kommt. Sie koennte durchaus ihm folgen. Sie schlaegt daher vor, dass sie ein andermal darueber reden, wenn sie mehr Ruhe dafuer haetten. Er kann ihr nur zustimmen. Er fragt sie aber, ob sie noch immer die Albtraeume habe.
„Das ist besser geworden,“ sagt sie wahrheitsgetreu, denn tatsaechlich hat sie sie weniger oft gehabt, und jegliche Aengste oder dunkle Stimmungen hat sie mit Arbeit verdraengt.
„Da bin ich aber froh,“ toent es aus dem Hoerer und sie kann seine Erleichterung fuehlen, auch wenn er tausende Meilen weit weg ist. „Siehst du, ich habe recht gehabt!“ sagt er befriedigt.
Es erleichtere sie auch, antwortet sie, verschweigt aber, dass nicht alles so ist, wie es sein sollte und dass die undefinierbaren Aengste im Schatten ihrer Gefuehle auf der Lauer liegen wie hungrige Loewen im hohen Steppengras.
„Ich komme bald,“ sagt er zum Abschied und schickt ihr einen Kuss durch die Leitung.
Sie kehrt zur Party zurueck, mischt sich unter die Tanzfreudigen und Gruppen, die lautstark diskutieren, und schliesst sich jenen an, die wie die Schmetterlinge von den einen zu den anderen wandern oder sich am Buffet zusammenfinden, um dem Alkohol eine Grundlage zu geben, so dass er nicht zu schnell zu Kopf steigen kann. Femina geniesst alles in vollen Zuegen. Sie ist allerdings vorsichtig mit dem Alkohol. Sie will ihm nicht zum Opfer fallen, denn nach solanger Abstinenz haette er ein leichtes Spiel mit ihr.
Doch die Nacht endet fuer Femina tragisch, und es hat nicht das geringste mit Alkohol zu tun. Sie findet naemlich heraus, welches Ungeheuer sie verfolgt, was das Unbekannte ist, das sie nicht loswerden konnte. Die Ursache ihrer Aengste hat einen Namen: K r a n k h e i t !
Niemand war anwesend, als sie sich im Badezimmer die Haende waschen wollte und ploetzlich stuerzte. Es gab keinen Anlass, kein Hinderniss, das sie zu Fall haette bringen koennen. Es waren einfach die Beine, die nachgaben. Sie knickten weg, als seien sie Stelzen, denen jemand ohne Vorwarnung einen Fusstritt versetzt hat, so dass sie zu Boden fielen. Sie kann nicht aufstehen und wie sie so auf dem Boden sitzt, fallen ihr diverse andere Vorfaelle ein. Sie erinnert sich, wie sie reagiert hatte, naemlich vorwiegend mit Frustration, gab es doch immer Erklaerungen, wie ungeschickt oder zu muede oder ueberarbeitet sie war. Jetzt allerdings steht fest, sie hatten eine ganz andere Bedeutung. Dieser Sturz ist naemlich nicht das erste mal, dass ihr Koerper streikt: Dinge waren ihr aus der Hand gefallen; sie hatte hin und wieder Sehausfaelle, wenn auch nur sehr sporadisch und kaum mehr als Augenblicke, grad so, als waeren die Augenlider Jalousien, die man dicht macht, aber dann gleich wieder oeffnet. Selbst die Doppelbilder, die sie immer sehen konnte, waren von anderer Qualitaet. Sie traten waehrend ihrer Studien auf, wenn sie etwas las oder schrieb. Worte und Saetze betreffend, nicht Inhalte! Alles macht ploetzlich Sinn, selbst die Albtraeume. Die hatten die Funktion der Warnung, da sie sich und ihrem Koerper nicht jene Aufmerksamkeit schenkte, die erforderlich war und die sich offensichtlich nicht ohne Protest uebersehen lassen wollte. Ihr Unterbewusstsein benutzte die Traeume, nicht nur um sie zu warnen, sondern um ihre Aufmerksamkeit zu erzwingen. Was selbst dann nicht erfolgte. Auch wenn das Unterbewusste versucht sich Gehoer zu verschaffen, das Bewusste mag es nicht unbedingt hoeren wollen. Femina muss nun eingestehen, es war ihre Schuld, denn genau das hat sie getan. Sie hat nicht hingehoert, sie hat nicht hinhoeren wollen! Sie hat sich gewehrt, liess sich lieber von Aengsten quaelen, denn Aengste und Albtraeume sind leichter zu ertragen, als das Wissen, dass man einen kranken Koerper hat. Wozu ist ein Motor gut, der nicht laeuft! Er ist mehr wert auf dem Schrotthaufen. Das ist die Realitaet.
Der Anfall ist auch diesmal nur voruebergehend. Sie kann wieder aufstehen und weitergehen. Aber der Schock bleibt. Femina verlaesst die Party und zieht sich in ihre Mansarde zurueck. Wenn man sie brauchen sollte, wird man sie schon finden. Manche werden ohnehin lieber hier schlafen, als sich betrunken ans Steuer zu setzen. Und sie wird am Morgen ganz bestimmt besser faehig sein, ihre Gefuehle zu kontrollieren, als jetzt, wo sie nicht anders kann, als sich in ihre Hoehle zurueckzuziehen, so wie der verletzte Hund, der seine Wunden leckt. Doch sie weiss, dass noch so viel Lecken ihrer Krankheit nicht Herr zu werden ist, nicht dieser Krankheit jedenfalls. Der Tod hat sich bei ihr heimlich eingenistet und jetzt greift er nach ihr; er laesst sich nicht laenger verleugnen. Aber nicht schnell will er sie haben. Nein, nein! Sieh nur, wie hoehnisch er lacht! Ein Stueck nach dem anderen will er sich von ihr nehmen. Und sie? - Was kann sie schon dagegen tun?! - Nichts! - Denn fuer diese Krankheit gibt es keine Medizin! - Das, was es gibt, kann hoechstens das Elend verlaengern, - und wem ist damit schon gedient!
Es ist dieses Haus, es ist dieser Bau! Hier drin gibt es kein echtes Glueck. Es ist alles nur Schein. Katzengold! Ja, und jetzt muss sie eingestehen, sie hat sich, traurigerweise, taeuschen lassen! Und letzten Endes hat sie recht behalten, Welt der Illusion! Das Wahre laesst sich darin, wenn ueberhaupt, nur schwer finden. Damit steht fest:
S i e m u s s r a u s !!! R a u s a u s d i e s e m H a u s !!! R a u s a u s d i e s e m B a u !!! R a u s , n i c h t s w i e r a u s !!!!
Sie eilt ueber den kalten Steinboden des langen Ganges. Vor der Stahltuere, mit dem Leuchtschild „EXIT“ darueber, macht sie halt. So oft sie hier auch schon gestanden hat, das Tor oeffnet sich nicht. Auch jetzt nicht. Das Raetsel um den Mechanismus ist ungeloest. Doch jetzt muss sie hinaus, will sie hier drin nicht ganz langsam verrecken. Wieviel Zeit bleibt ihr fuer des Raetsel’s Loesung? Wer weiss das schon! Sie darf aber keine Zeit verlieren. Sie muss raus, noch bevor das langsame Sterben beginnt, das ihr mit seinem quaelenden Spiel letztendes jede Moeglichkeit der Flucht nehmen koennte.
Verzweifelt untersucht sie das Tor und seine unmittelbare Umgebung wieder und wieder, ohne Erfolg. Es gibt nur zwei Moeglichkeiten: Entweder bricht sie das Tor mit Gewalt auf, oder sie findet sich ein fuer alle Mal damit ab, dass es kein Entkommen gibt, ausser wenn die Krankheit ihren Koerper konsumiert hat.
Sie laesst sich vor der Tuer nieder. Sie weiss nicht, was sie tun sollte. Im Haus bleiben, einfach aufgeben? Doch im Haus zu bleiben,... - selbst der Gadanke ist unertraeglich. Ein langsamer Tod ist das schlimmste, das sie sich vorstellen kann. Sie kann nicht warten, bis die Krankheit sie aufgefressen hat! Wenn schon warten, dann lieber hier, vor dem Tor. Vielleicht hat sie zu wenig Zeit vor dem Tor verbracht, vielleicht hat es einen Zeitmechanismus? Das ist allerdings nicht sehr troestlich, denn wer weiss wie lange sie warten muesste. Sie ueberlegt daher, welche Werkzeuge sie braucht und heranschaffen muss, mit denen sie das Tor aufbrechen koennte. Sie muss es ohne jede Hilfe tun. Niemand wuerde ihr helfen, das ist gewiss. Aber das Aufbrechen mag garnicht so einfach sein. Nicht doch! Sie kann das Tor aufsprengen! Wie und mit was laesst sich ganz sicher herausfinden, auch wo sie das Material erstehen kann. Sie fuehlt sich etwas erleichtert, gibt es ihr doch die Zuversicht, dass sie hier drin nicht dahin siechen wird muessen.
Waehrend sie auf die Tuer starrt, geht es in ihrem Kopf rundum. Rastlos kreisen die Gedanken. Da hat sie sich brav angepasst, hat sich sogar mit dem Haus abgefunden. Und jetzt, wo sie eigentlich gluecklich gewesen war, wird es zur Folterkammer, grad so, als wollte es ihr beweisen, dass sie ausgeliefert ist, ohne Macht, ohne Hilfe, ein Spielball jener Kraefte, die sie gefangen halten.
Ein eiskalter Gedanke taucht ploetzlich auf, grad so als haette er in namenloser Tiefe unter einer dicken Eisdecke gelegen, in die ihr rotierender Verstand ein Loch gefraest hat und ihn zum Aufsteigen zwang. Er ist aber keine Hilfe, macht alles noch viel schlimmer: Sie mag wohl die Stahltuere aufbrechen und dem Haus entkommen koennen, doch kann sie sich damit ihrer Krankheit entledigen?
Es ist mit einem Male so still um sie und still ist es in ihrem Kopf. Das ist wohl der Vorbote des grossen Schweigers.
Ein Knacken hinter ihr laesst sie zusammenzucken. Sie dreht sich um und sieht eine unauffaellige weiss getuenchte Tuer, die aufgesprungen ist und eine Handbreit offensteht. Sie steht auf und schaut hinein. Es ist ein grosser Raum, ganz in weiss, selbst der Fussboden ist weiss gestrichen. An der linken Wand steht eine braune Holzbank. Sie hat sogar eine Lehne. Trotzdem sieht sie nicht sehr bequem aus; steht da, wie ein grosser brauner Mund in einem weissen Gesicht, das keine Augen und keine Nase hat. Femina geht hinein, drueckt die Tuer hinter sich ins Schloss und setzt sich auf die Bank. Da ist es also, ihr Wartezimmer! Warten auf das Morgengrauen, warten auf den Glockenschlag. Noch ist es Nacht und der Henker schlaeft, aber das Warten hat fuer sie begonnen und hoert nicht mehr auf. Sie froestelt. Ihr ist so schrecklich kalt. Die Leere des Zimmers starrt sie an, wie der Blick eines gebrochenen Auges, und in dieser Stille stirbt jeder Hilferuf, - drum bleiben ihre Lippen geschlossen. Und doch ist sie dankbar fuer diesen Zufluchtsort. Sie muss wieder nachzudenken beginnen. Sie braucht die Ruhe, sie braucht Besinnung, hat sie doch alle Kontrolle ueber sich verloren, und das kann ihr nicht die Loesung der Raetsel bringen.
Lange Zeit starrt sie vor sich hin, alle Sinne haben sich nach innen gekehrt, als seien sie bleischwere Anker in den Untiefen eines lichtlosen Meers. Sie verharrt, regungslos. Aber es kommt n i c h t s hervor, keine Stimme, die ihr etwas erklaert, kein Gedanke, der ihr weiterhilft. Die Hoffnung hat sich davon gemacht, laesst sie zurueck wie ein leeres Schneckenhaus. Sie verliert langsam den Bezug zur Zeit. Kaelte rinnt durch ihren Koerper, bis sie nichts mehr empfindet. Zu Eis gewordene Fluesse, zugefrorene See.
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Ich bin wahrhaftig geschockt und die Angst kroch auch in mir hoch. Nun hat mich auch die Neugier gepackt. Will wissen wie geht es weiter, aber andererseits doch wieder nicht......
Ich bin sehr zerrissen und muss mir erst einmal in Ruhe meine Gedanken dazu machen und vor allem ordnen. Damit habe ich nie und nimmer gerechnet!!!!!!!!!!!!!!!